Binsenweisheit: Was soll das sein?
- Aktualisiert: Mittwoch, 27. April 2022 07:53
Eine Binse ist, genau genommen, eine Pflanze. Aus der Familie der Binsengewächse ("Juncaceae"). Weltweit umfasst sie, diese Pflanzenfamilie, etwa vierhundert Arten. Binsen sind immergrün, haben kapselähnliche Blütenstände und sind überwiegend in Feuchtgebieten (z.B. Sümpfen, Seen, Teichen, Mooren) anzutreffen. Aber, wann geht etwas in die Binsen? Und, warum soll eine Binse weise sein?
Redewendung
Was also ist gemeint, wenn etwas in die sprichwörtlichen Binsen geht?
Gemeint ist mit dieser Äußerung, wenn eine Sache, etwas, das man vorhatte zu tun, total schief gelaufen ist. Vermasselt möglicherweise durch banales Eigenverschulden oder widrige äußere Umstände, aber eben schlicht gescheitert oder misslungen.
Jägerlatein
Woher kommt der Ausdruck Binsenweisheit?
Zurückzuführen sein soll dieser Begriff auf die Jägersprache.
Geht der Jäger nämlich zu ungeschickt durchs Revier, verschwinden Wildente, Schnepfe oder Rebhuhn schlauerweise im Ufergebüsch, im Schilf oder eben in den Binsen – was auf ein törichtes Vorgehen des Weidmannes schließen lässt.
Müsste er aber nicht das Verhalten gejagten Federviehs kennen? Na klar! Es ist doch eine Binsenweisheit, dass sich die Vögel zu retten versuchen.
Mythologie
Wie lassen sich Jägersprache, Mythologie und Binsenweisheit verknüpfen?
Gut, die Moorhühner mögen jetzt in den Binsen sein, aber nun hat der Jägersmann Zeit, wieder einmal an die Geschichte des Königs Midas aus der griechischen Mythologie zu denken. Denn der eitle, geldgierige – aber leider auch dumme Midas – wird ebenfalls mit dem Begriff „Binsenweisheit“ in Verbindung gebracht.
Apollo, Pan und Midas
Apollo (Sohn des Zeus) und der Hirtengott Pan wollten sich in der Kunst des Flötenspiels messen. Als Schiedsrichter wurde König Midas auserkoren, der es sich allerdings mit Apollo verscherzte, weil er statt diesen, den bocksbeinigen Pan zum Sieger erklärte.
Da der gekränkte Apollo dieses seiner Meinung nach ungerechte Fehlurteil den kleinen Ohren des Midas zuschrieb, ließ er diesem – schwupps! – Eselsohren wachsen.
Diese Peinlichkeit blieb nicht verborgen. Der erste, der die Bescherung sah, war der Friseur des guten Midas. Obwohl der Haircutter von Midas unter Androhung der Todesstrafe zum Schweigen verdonnert wurde, konnte der Figaro einfach nicht die Klappe halten. Prompt vertraute er das Phänomen der Eselsohren den Binsen an.
Die wiederum hatten nichts Eiligeres zu tun, als das Geheimnis in alle Welt auszuplaudern.
Binsenweisheit
Nun waren des Königs Eselsohren allerdings längst kein wirkliches Geheimnis mehr, hatten doch die ständig unter der Krone des Midas herausschauenden Ohren längst zu Klatsch und Tratsch unter den Untertanen geführt. Das lästerliche Getuschel der Binsen war somit zur Binsenweisheit geworden.
Es handelte sich also nunmehr lediglich um eine ganz banale Aussage, etwas, was ohnehin bereits jedem bekannt war. Eine Information ohne zusätzliche neue Erkenntnis. Eine Binsenweisheit eben …
Quellen:
- "König Midas mit den Eselsohren" (Inge Steinecke, Gudrun Pausewang/Herder Verlag)