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Föderalismus in Deutschland: Wie kam es dazu?

Der Begriff Föderalismus (lat.: foedus/Bündnis, Vertrag) bedeutet das "Streben nach einem Staatenbund oder Bundesstaat mit weitgehender Selbständigkeit der Einzelstaaten".

Vorgeschichte

Woraus bildete sich ein erstes (unpräzises) Staatengebilde?

Nach der historisch in die Jahre von

gingen im 9. Jahrhundert aus der

  • östlichen Reichshälfte das "Heilige Römische Reich" und aus dem
  • westlichen Teil das spätere Königreich Frankreich hervor.

Zu diesem Zeitpunkt war weder von Deutschen, noch von Franzosen die Rede.

Wie es weiterging

Im 10. Jahrhundert, genauer 962, gelang es Otto I. dem Großen (912-973) sich – aufgrund seiner guten Beziehungen zu Papst Johannes XII. (937-964) – in Rom zum römisch-deutschen Kaiser krönen zu lassen. Je nach Sichtweise konnte Deutschland nun durchaus als ein im Zentrum liegender Teilbereich des ottonischen Reiches gesehen werden. Unabhängig davon, wie weit die Grenzen im Süden und Westen des Reiches auch immer gezogen wurden.

Auch der Namenszusatz aus dem 15. Jahrhundert in

änderte daran nichts. Bis 1806. Da endete dieses Konstrukt unter anderem mit dem Verzicht Kaiser Franz‘ II. (*1768/°1835) auf die Krone, weil er nur noch Kaiser Franz I. von Österreich sein wollte.

Vielfalt

Wodurch zeichnete sich die Staatenbildung aus?

In all diesen Jahrhunderten war der aus heutiger Sicht "deutsch" zu nennende Landstrich gekennzeichnet durch – man könnte fast sagen – Myriaden einiger größerer, in der Mehrzahl aber kleinerer und kleinsten weltlichen oder kirchlichen Fürstentümern. In diesen Fürstentümern gaben Herzöge, Mark- und Pfalzgrafen, Bischöfe und Äbte von Reichsklöstern den Ton an.

Um diese Vielfalt unterschiedlichster und oft gegensätzlicher Auffassungen vom jeweiligen König/Kaiser unter einen Hut bringen zu können, gab es naturgemäß auch keine Hauptstadt. Da waren zentralistisch regierte Länder wie – zum Beispiel – Frankreich, Spanien oder England schon sehr viel weiter.

Der deutsche Flickenteppich mit den oft voneinander abweichenden Vorstellungen zu denen des gerade herrschenden römisch-deutschen Machthabers, musste von diesem zeitraubend, mühevoll und manchmal gewiss auch schweißtreibend auf dem Rücken der Pferde bereist, kontrolliert und zusammengehalten werden. Die Hauptstadt war also dort, wo des Königs/Kaisers Pferd gerade graste.

Noch nach 1648, sozusagen in die Verträge des Westfälischen Friedens nach dem Dreißigjährigen Krieg gemeißelt, wurde diese Kleinstaaterei munter fortgeführt. Etwa 300 Fürstentümer, von denen die Mehrzahl aus ein paar Schlössern und Dörfern bestand, kochten ihr eigenes Süppchen.

Versuchsballons

Wie, durch wen und wann wurde versucht, eine Neuordnung hinzukriegen?

Was folgte, waren

  • 1803 der Reichsdeputationsausschuss,
  • 1806 der so genannte Rheinbund,
  • nach dem Wiener Kongress 1815 der Deutsche Bund sowie
  • die Bismarck’schen Einigungskriege zwischen 1860-71.

Alles Ereignisse, die durchaus das Thema Flurbereinigung auf der Agenda hatten. So wurde beispielsweise 1871 im Spiegelsaal von Versailles das sogenannte

  • "zweite" deutsche Kaiserreich, mit Otto von Bismarck als Reichskanzler,

ins Leben gerufen. Das "erste" war das "Heilige Römische Reich deutscher Nation", das "dritte" das, was man besser vergisst.

Waren diese Experimente erfolgreich?

Nicht wirklich. Zwar hatte Deutschland jetzt einen Nationalstaat, bestand aber immer noch aus 22/25 Bauteilen:

  • vier Königreichen (Bayern, Preußen, Württemberg, Sachsen),
  • sechs Großherzogtümern,
  • fünf Herzogtümern,
  • sieben Fürstentümern und
  • drei Freien und Hansestädten (Lübeck, Hamburg, Bremen).

Weimarer Republik

Konnte die Kleinstaaterei nun endlich behoben?

Nein, es ging unverdrossen weiter. Von der Weimarer Republik bis heute ergibt sich folgendes Bild:

  • von 1919 bis 1933 fanden sich so um die achtzehn Freistaaten, ehemalige Herzogtümer und Hansestädte zusammen,
  • von 1933 bis 1945 wurde das ‚Deutsche Reich‘ großdeutsch – mit den bekannten ungeheuerlichen Folgen,
  • 1946 wurde Grund und Boden von den Alliierten in vier Besatzungszonen aufgeteilt,
  • mit Gründung der Bundesrepublik 1949 waren es die elf Länder: Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern, Baden plus Westberlin – allerdings mit eingeschränkten Rechten,
  • 1952 wurden aus den drei Ländern Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden nur noch eins – nämlich Baden-Württemberg,
  • 1957 kamen das Saarland und
  • 1990 Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen hinzu.

Summa summarum setzt sich der Bundesstaat, also die Bundesrepublik Deutschland, nach heutigem Stand (2022) aus sechzehn – wie es im Staatsbürger-Taschenbuch aus dem C.H.Beck-Verlag heißt – Teilnehmern beziehungsweise Gliedstaaten zusammen. Einschließlich der Bundeshauptstadt Berlin.

Wie gesagt, die politische Vielgestalt Deutschlands war immer schon föderalistisch, ist es noch und wird es (voraussichtlich) auch bleiben.

Nachteile, Vorteile

Was sind (oft) die Nachteile des Föderalismus?

Manchmal treibt sie auch Blüten, diese Vielgestalt – was zum Beispiel pointiert während der Corona-Krise ab 2020 oder seit des russischen Überfalls auf die Ukraine verdeutlicht wurde/wird.

Da scheinen die heutigen Länderfürsten miteinander in einen Wettstreit eingetreten zu sein. Es geht dabei um die "richtige" Herangehensweise, Handhabung und Bewältigung der Krise(n). Jeder will jedem immer gern einen Schritt voraus sein, den anderen in den Schatten stellen oder für sich selbst den Vogel abschießen. Föderalismus, eben.

Nicht ernst gemeint

Man stelle sich die Ministerpräsidenten als Fußballmannschaft vor. Jeder möchte dabei sein. Es können aber nur elf mitspielen. Fünf müssen verzichten. Gut, dann wird die Münze geworfen oder Schnick, Schnack, Schnuck gespielt. Soweit so gut. Dennoch, und davon ist auszugehen, stellt sich jeder der gewählten Mitspieler jetzt die Frage: ‚Zusammenspielen? Aber nur mit meinem Ball …‘.

Worin liegen die Vorteile des Föderalismus?

Selbstverständlich kann dem Föderalismus auch Positives abgewonnen werden. Wie etwa die Verhinderung des Machtmissbrauchs durch

  • die Kontrolle des Bundestags und Bundesrats,
  • den Wettbewerb der Länder nach dem Motto: ‚Konkurrenz belebt das Geschäft‘,
  • die Vielfalt in Wirtschaft und Kultur und/oder
  • eine unmittelbarere Nähe zum Bürger.

Nun, ja – immerhin …

Autor:

Quellen:

  • "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" (Golo Mann/S. Fischer Verlag)
  • "Staatsbürger Taschenbuch“ (Verlag C.H. Beck)
  • "Wahrig – Deutsches Wörterbuch" (Bertelsmann Lexikon Verlag)
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