Burgen: Fragen und Antworten
- Aktualisiert: Montag, 10. Oktober 2022 09:27
Wozu wurden Burgen benötigt? Wie wurden Burgen gebaut? Wie lebten die Menschen auf/in den Burgen? Wer waren die Burgherren? Was sind Pechnasen? Diese und einige weitere Fragen möchten wir in diesem Beitrag beantworten.
Mittelalterliche Befestigungsanlagen
Was sind die wesentlichen baulichen Merkmale einer Burg?
Von außen nach innen betrachtet, fängt alles mit dem Burggraben sowie einer die Burg umgebenden und der Verteidigung dienenden Mauer an, der Burgmauer. Ebenfalls zur Abwehr ungebetener Eindringlinge, waren Zugbrücke, Fallgatter und Zwinger gedacht.
Auf die sogenannte Vorburg, die für die Werkstätten der Tischler, Schmiede und anderer Gewerke gedacht war, folgte die eigentliche Burg mit (u.a.):
- Bergfried (höchster Turm der Anlage),
- Palas (Wohn- und Repräsentationsräume des Burgherrn),
- Zeughaus (Vorrats- und Waffenkammer),
- Marstall (Unterbringung von Pferden, Wagen, Zaumzeug),
- Zisternen (Auffangbehälter für Regenwasser),
- einem Turm, der als Kerker vorgesehen war,
- die Burgküche
und, last, not least, eine Kapelle.
Welchem Zweck dienten die Burgen?
Im Wesentlichen dienten Burgen sowohl als Wohnsitz der Burgherren aus Adel, Klerus oder Ritterschaft, als auch der Verteidigung des die Burg umgebenden Gebietes sowie des Schutzes der Bewohner vor Angreifern (Trotz/Trutzburg).
An für die Zollerhebung strategisch wichtigen Orten (Grenzübergängen, Pässen) gab es Burgen, deren Bewohner (Zöllner, die damals aber noch nicht so genannt wurden) für eine ordnungsgemäße Zollabwicklung verantwortlich waren (Zollburg).
Stand die Burg in einem Gebiet, dessen Bevölkerung dem Landesherrn als wenig verlässlich, linientreu und ergeben galt, schien es dem Burgherren geraten, seinen Wohnsitz wehrhaft aufzurüsten, um vor möglichen Aufständischen entsprechend wehrhaft gefeit zu sein (Zwingburgen).
Burgen im Spätmittelalter
Im Spätmittelalter – etwa ab 1250/1300 bis 1450/1500 – verlor der König als Dreh und Angelpunkt herrschaftlicher Machtausübung zunehmend an Einfluss. Eine wachsende Verselbständigung ehemals abhängiger (geistlicher, als auch weltlicher) Grundherren war die Folge. Diese Leute übernahmen in steigendem Maße Herrschafts- und Verwaltungsaufgaben; die Burgen wurden peu á peu zum Mittelpunkt gesellschaftlich-kulturellen Lebens und hatten einen bedeutenden Anteil an der weiteren wirtschaftlichen Nutzbarmachung des zur Landesherrschaft gehörenden Gebietes (Landesburgen).
Bauweise
Wie wurden Burgen unterschieden?
Je nach landschaftlichen Gegebenheiten, gab es
- Insel- und Wasserburgen,
- Gipfel-, Höhen- oder Hangburgen,
- Hafenburgen sowie
- Niederungs- oder Talburgen.
Diese Typisierung lässt naturgemäß Rückschlüsse auf die topografische Beschaffenheit der jeweils vorherrschenden Landschaftsstrukturen zu, und ist im Grunde selbsterklärend.
Was sind Fliehburgen?
Flieh- oder Fluchtburgen waren ursprünglich keine Burgen im herkömmlichen Sinne. Zwar war deren vor marodierenden Horden jedweder Couleur Schutz bietende Funktion bereits seit Jahrtausenden (etwa aus der Zeit von 2500 bis 1500 v. Chr.) bekannt, erhielten aber ihre wesentliche Bedeutung in hohem Maße zu Zeiten des Fränkischen Reiches (Karolinger, Ottonen).
Diese Flieh- oder Fluchtburgen waren allerdings unzureichend befestigte Verteidigungs- und Schutzeinrichtungen aus Erdaufschüttungen, Holzpfählen und schlichtem Mauerwerk ohne Türme. Errichtet wurden sie aber klugerweise an strategisch günstiger Stelle. Etwa ab dem 11. Jahrhundert wurde dazu übergegangen, diese – letztlich für ihren Zweck kaum ausreichenden – Wehranlagen aus Stein zu bauen.
Was sind "Pechnasen"?
Ebenso wie Schießscharten, Zinnen und der Wehrturm, dienten Pechnasen der Verteidigung einer Burganlage.
Diese sogenannten Pechnasen waren erkerähnlich aus der Mauer hervorragende und mit Löchern versehene Vorbauten, aus denen im Bedarfsfall – unter anderem – heißes Pech auf den Feind gegossen werden konnte.
Lebensgestaltung
Wie sah das Leben auf einer Burg aus?
Das Leben auf einer Burg war arbeitsintensiv, hart und beschwerlich.
- Handwerker (Schmiede, Tischler, Schuster, Bäcker und andere mehr) hatten sich um ein funktionierendes Burgleben zu kümmern,
- die Bauern einen Großteil ihrer landwirtschaftlichen Produkte an den Burgherrn abzugeben,
- Jäger für Wild zu sorgen,
- Torwächter die Burg zu beschützen und
ein Mann der Kirche war für Gottes Segen zuständig.
Hygiene war so gut wie unbekannt. Warmes Wasser galt als Luxus, Toiletten ebenfalls. Für kleine und größere Geschäfte gab es Aborterker oder Öffnungen ins Freie an der Burgaußenwand. Nicht genug damit, dass es auf den Burgen zugig, dunkel und – insbesondere im Winter – saukalt gewesen sein muss, hat es aller Wahrscheinlichkeit nach auch ungemein gestunken.
Und Freizeit? Für die arbeitenden Mitglieder einer Burggemeinschaft war Freizeit ein Fremdwort. Für diese Gruppe galt das von Benedikt von Nursia (480-547) geprägte Wort: "Ora et labora" (Bete und arbeite). Die hohen Herrschaften dagegen vergnügten sich gelegentlich auf der Jagd, bei Ritterturnieren oder übten sich als Minnesänger. Ihre Frauen kümmerten sich um die Kinder, beaufsichtigten Koch, Küche und Bedienstete, waren Gesellschafterinnen der Burgherrin, stickten, webten und hielten Kleidung und Gemächer in Ordnung.
Burgherren – was waren das für Leute?
Burgherren im Mittelalter rekrutierten sich überwiegend aus Angehörigen des Hohen Adels (Grafen, Fürsten), des Hohen Klerus (Bischöfe, Äbte) sowie mächtiger Adelsgeschlechter (z.B. Staufer, Habsburger). Oft leitete die High Society dieser Zeit ihren Namen nach der von ihnen bewohnten Burg (Burg Hohenstaufen in Baden-Württemberg, Burg Habsburg in der Schweiz) ab.
Aber auch finanzstarke Ritter aus dem sogenannten niederen Adel konnten als Burgherren fungieren. Abgesehen von – zum Beispiel – den Staufern und Habsburgern, erhielten alle anderen das entsprechende Gelände und das Recht, dort eine Burg zu errichten, bis ins 13. Jahrhundert ausschließlich vom König.
Quellen:
- "Das Mittelalter" (Hywel Williams/National Geographic History)
- "Kaiser, Ritter und Scholaren" (Das farbige LIFE Bildsachbuch/rororo)
- "Der ferne Spiegel" (Barbara Tuchmann/Spiegel Edition/32)
- "Das Leben im Mittelalter" (Robert Fossier/Piper Verlag)
- "Die Ritter: Geschichte und Kultur" (Joachim Ehlers/C.H. Beck; Beck'sche Reihe: Wissen)
- "Geschichte: Heft 2/08" (Sailer Verlag Nürnberg)