Jeanne d'Arc (Jungfrau von Orléans): Fragen und Antworten
- Aktualisiert: Mittwoch, 22. März 2023 11:57
Wer war Jeanne d'Arc? Welche Bestimmung hatte sie? Was hatte sie mit dem Hundertjährigen Krieg zu tun? Worin lag ihr Einfluss auf den seinerzeitigen König von Frankreich, Karl VII.? Wie und von wem wurde Jeanne d'Arc gefangen genommen? Warum wurde ein Prozess gegen sie angestrengt? Wie verstarb Jeanne d'Arc? Welche Bedeutung hat sie heute für Frankreich? Diese und weitere Fragen möchten wir in diesem Beitrag beantworten.
Literatur, Musik, Film
Wer hat Jeanne d'Arc, neben anderen, einen Platz in der Geschichte gesichert?
Spricht man über den Hundertjährigen Krieg (1337-1453), kommt man an Jeanne d’Arc nicht vorbei.
Vielleich fallen einem dazu – unter anderem –
- Friedrich Schillers (1759-1805) romantische Tragödie „Die Jungfrau von Orléans“,
- George Bernhard Shaws (1856-1950) dramatische Chronik „Die heilige Johanna“,
- Bertolt Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ oder
- Giuseppe Verdis (1813-1901) Oper „Giovanna d’Arco“ ein,
die der Frau, die im besagten Krieg sozusagen ihren Mann gestanden hat, mit ihren Werken ein literarisches bzw. musikalisches Denkmal gesetzt haben.
Darüber hinaus wurde das Schicksal der heiligen Johanna in unzähligen Stumm-, Schwarz-Weiß und Farbfilmen behandelt, von denen die Filme mit
- Ingrid Bergmann (1915-1982) von 1948,
- Michéle Morgan (1920-2016) von 1954,
- Jean Seberg (1938-1979) von 1957 oder der
- 1999 in die Kinos gekommene Film mit Milla Jovovich, Faye Dunaway, John Malkovich, Dustin Hoffman und anderen,
die sind, die unter Umständen einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben?
Hundertjähriger Krieg
Worum ging es in diesem Krieg?
Engländer und Franzosen stritten um die Thronfolge. Ausgangspunkt war die Besetzung des englischen Lehens Aquitanien im Südwesten Frankreichs durch den Franzosen Philipp VI. von Valois (1293-1350), eines Neffen Philipps des Schönen (1268-1314).
Der englische König Eduard III. (1312-1377), der sich als Enkel Philipps des Schönen in der besseren Position sah, zog nach, und machte selbst seine Ansprüche auf den französischen Königsstuhl geltend.
Armagnacs vs. Bourguignons
Was folgte, waren gegenseitige Schmähungen, Ehrverletzungen und Kränkungen übelster Art, die schließlich in der Ausweitung bisher lokal begrenzter, zu eben dieser hundertjährigen kriegerischen Auseinandersetzung führten – mit wechselnden Erfolgen und ab und an unterbrochen von dem einen oder anderen Waffenstillstand.
Für Philipp VI. erschwerend hinzu, kam obendrauf noch der innerfranzösische Konflikt zwischen den Anhängern der Krone, also dem
- Haus Orléans, den Armagnacs, die üblicherweise den französischen König stellten und
- der Partei der Burgunder (Bourguignons), deren Herzog dem König ebenfalls die Vorherrschaft streitig machen wollte.
Diese Fehde wurde, sozusagen parallellaufend, zwischen 1410 bis 1419 ausgetragen. Die französisch-englischen Kontroversen, von den Historikern erst im Nachhinein Hundertjähriger Krieg genannt, endeten im Juli 1453 mit dem entscheidenden Sieg der Franzosen in der Schlacht bei Castillon in der Region Nouvelle-Aquitaine.
Der französische König hieß inzwischen Karl VII. (1403-1461) und der englische Henry VI. (1421-1471).
Jeanne d'Arc bzw. Jungfrau von Orléans
Wo und unter welchen Umständen wuchs Jeanne d'Arc wann auf?
Als wahrscheinlich angenommen wird, dass Jeanne d’Arc etwa
- 1412 in dem kleinen Flecken Domrémy-la-Pucelle im Nordosten Frankreichs (seit 2016: Region Grand Est) zur Welt kam und aus
- einer gutsituierten lothringischen Bauernfamilie stammte,
- in den Wirren des zu diesem Zeitpunkt bereits gute siebzig Jahre anhaltenden Hundertjährigen Krieges aufwuchs,
- ihren Eltern bei der Feldarbeit half – allerdings aber kaum des Schreibens und Lesens mächtig gewesen sein soll.
Ein paar Jahre zuvor hatten England und die mit ihnen verbündeten Burgunder Frankreich unter sich aufgeteilt. Das Haus Orléans und mit ihm der rechtmäßige König waren außen vor – und ihre Parteigänger entsetzt, aber hilflos. Jeanne und ihre Eltern standen auf Seiten Letzterer.
Durch wen erfährt Jeanne d'Arc von ihrer Bestimmung?
Den 1841 veröffentlichten Prozessakten aus dem Jahr 1431 ist zu entnehmen, dass Jeanne, da war sie Dreizehn, Stimmen gehört hat.
Die heilige Katharina, der Erzengel Michael und die heilige Margarete trugen ihr auf, fortlaufend mit Gott in Kontakt zu bleiben, nicht zu heiraten, Jungfrau zu bleiben und – schließlich und endlich – die Belagerung der Stadt Orléans sowie, damit einhergehend, die englische Gebietsaneignung zu beenden und dem Kronprinzen Karl VII. auf den Thron zu verhelfen.
Die Stimmen wiederholten sich, wurden drängender und veranlassten Jeanne/Johanna, ihr Elternhaus zu verlassen. Um den Jahreswechsel 1428/29 machte sie sich auf den Weg zur unweit von Domrémy gelegenen Festung Vaucouleurs.
Zielstrebigkeit
Wie erreichte Jeanne d'Arc die Akzeptanz Karls VII.?
Und tatsächlich gelang es Jeanne, nach einer Reihe vergeblicher Versuche, zum Kommandeur der Festung vorgelassen zu werden.
Charakterstark, gradlinig, fest im Glauben und unbeirrbar durchdrungen von der ihr zugewiesenen Aufgabe, schaffte sie es, den Befehlshaber von ihrer Mission – Frankreich von den Engländern zu befreien – zu überzeugen. Beeindruckt von ihrer Beharrlichkeit, stellte er der Sechzehnjährigen militärisches Geleit zur Seite, das sie zum designierten Thronfolger begleiten sollte.
Nach etwas mehr als einer Woche, stand sie endlich in der Stadt Chinon Karl VII. gegenüber. Nach gründlicher Befragung und Gewissensprüfung der jungen Frau durch Karl und dessen Entourage, wurde
- Jeanne bei Hofe aufgenommen,
- mit Männerkleidung und Waffen ausgestattet und mit Siebzehn integriert in Karls VII. Heer,
- gen Orléans in Bewegung gesetzt.
Es heißt, Jeanne soll in Rüstung, mit Schwert, auf einem weißen Pferd, dem von den Menschen der Stadt lange erwarteten Proviantzug sowie unter dem Jubel der Bevölkerung in die Stadt eingeritten sein.
Gelang es Jeanne d'Arc den Belagerungsring der Gegner zu durchbrechen?
Ja, ganz eindeutig.
In den darauffolgenden Tagen behaupteten sich Jeanne und die ihr zugeteilten Kämpfer überzeugend gegen die englischen Besatzer. Mehr noch, obwohl im Schlachtgetümmel von einem Pfeil getroffen, aber dennoch in ihrem Kampfgeist ungebrochen und den ihr zugeteilten Kämpfern voranreitend, gelang es Jeanne und ihrer Mannschaft, den Kopf oben zu behalten und die Okkupanten innerhalb weniger Wochen aus dem Gebiet südlich der Loire zu vertreiben.
Dieser Vorgang galt/gilt als Markstein im weiteren Verlauf des Hundertjährigen Krieges.
Kontroverse, Rückschlag und Tod
Wodurch kam es zum Disput zwischen Karl und Jeanne d'Arc?
Die Streitkräfte Karls VII. schoben sich nach der Befreiung der Stadt Orléans weiter in Richtung Reims vor, erreichten die Stadt, und im Juli 1429 wurde Karl VII. in der Kathedrale zum König gekrönt.
Alles war so gekommen, wie Jeanne d'Arc es vorausgesehen und gewollt hatte. Aber ihr Einfluss schwand. Es kam zu Unstimmigkeiten.
Karl, manipuliert von seinen Beratern, die Jeanne und ihren Überschwang zunehmend in Frage stellten, wollte Verhandlungen und möglichst Frieden mit den in Paris sitzenden Burgundern. Jeanne dagegen sprach sich für ein militärisches Vorgehen aus, rückte mit ihren Getreuen gegen Paris – und scheiterte.
Wie endete Jeanne d'Arcs Kampf um Paris?
Als absehbar wurde, dass sich die kurz zuvor zwischen Orléans und Burgund ausgehandelte Waffenruhe in Luft auflöste, die Burgunder erneut mit den Engländern paktierten, kam es zu unüberbrückbaren Differenzen zwischen König und der Jungfrau von Orléans. Karl setzte weiterhin auf Aussitzen und Diplomatie, Jeanne d’Arc auf Konfrontation. Aber auch dieser erneute Versuch, Paris zu befreien, schlug fehl.
Im Mai 1430 wurde Jeanne d'Arc während eines erbittert geführten Gefechts vom Pferd gerissen,
- von Johann II. von Luxemburg (1392-1425) gefangen genommen,
- an den Herzog Philipp III. von Burgund (1396-1467) weitergegeben,
- von diesem gegen viel Bares an die Engländer ausgeliefert,
- auf der Burg Bouvreuil fast ein halbes Jahr eingesperrt und schließlich,
nach etwa weiteren drei Monaten Prozessdauer und unter abstrusesten Vorwürfen
- „wegen ihres Aberglaubens, ihrer Irrlehren und anderer Verbrechen gegen die göttliche Majestät, z.B.: Ketzerei und sogar Mord an allen in den Kämpfen Gefallenen, da sie als Frau nicht als Soldat zu betrachten sei“,
am 30. Mai 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Rehabilitation
Als was gilt Jeanne d'Arc den Franzosen heute?
Im Juli 1456 – Karl VII. hatte drei Jahre zuvor mit der für ihn siegreichen Schlacht bei Castillon im Juli 1453 quasi den Hundertjährigen Krieg beendet – kam es zu einer Wiederaufnahme des Prozesses, in dem Jeanne d’Arc (Johanna von Orléans) von allen ihr 1430/31 vorgeworfenen Anschuldigungen freigesprochen wurde.
Schon bald galt Jeanne d'Arc als Symbolfigur für die Befreiung Frankreichs, wurde 1909 von Papst Pius X. (1835-1914) selig-, 1920 von Papst Benedikt XV. (1854-1922) heiliggesprochen – und gilt den Franzosen, spätestens seit dem 19. Jh., als Nationalheilige.
Quellen:
- "50 Klassiker: Heilige" (Peter Köhler/Gerstenberg Verlag, Hildesheim)
- "Der Prozess Jeanne d'Arc 1431/1456" (Ruth Schirmer-Imhoff, Hg./dtv Dokumente)
- "Glourios Book for Heroes" (Ian & Jeff Kennedy/cbj/Random House)
- "Jeanne d'Arc: Die Geschichte der Jungfrau von Orléans" (Gerd Krumeich/C.H. Beck, Wissen)
- "Reclams Schauspielführer" (Reclam-Verlag Stuttgart 1953)