Wer war Erasmus von Rotterdam?
- Aktualisiert: Mittwoch, 26. Januar 2022 07:52
Erasmus von Rotterdam (um 1466/1469-1536) gilt als einer der bekanntesten Humanisten seiner Zeit.
Werdegang
Ausbildung
Als illegitimer Sohn eines Priesters und einer Arzttochter in Rotterdam geboren,
- absolvierte er – natürlich – die Schule,
- trat 1487 in das Augustinerkloster Steyn bei Gouda/Niederlande ein,
- studierte von 1495 bis 1499 Theologie in Paris,
- machte einige Jahre später in Turin/Italien seinen Doktor,
- hielt sich anschließend für längere Zeit in England, Italien, Belgien und den Niederlanden auf – Reisen bildet – und
lebte ab 1521, mit einer Unterbrechung von 1529 bis 1535 in Freiburg/Breisgau, bis zu seinem Tod in Basel/Schweiz.
Mann der Feder
Erasmus war ein Vielschreiber,
- stand zeitlebens unentwegt in Briefkontakt mit allen großen Denkern, Autoren, Verlegern, Theologen, Staatmännern und Gelehrten der Zeit,
schrieb, wie es heißt, etwa einhundertfünfzig Bücher – wie zum Beispiel:
- "Lob der Torheit", gewidmet dem englischen Politiker und Freund Thomas Morus (1478-1535),
- "Die Erziehung des christlichen Fürsten" aus Gründen der Wertschätzung Kaiser Karls V. (1500-1559), dessen Ratgeber/Hofrat er 1516 in Brüssel wurde,
und veröffentlichte etwa zur gleichen Zeit eine Ausgabe des griechischen Neuen Testaments mit seiner Übersetzung ins Lateinische, die Martin Luther (1483-1546) wiederum als Grundlage seiner Übersetzung ins Deutsche diente.
Beziehung zu Martin Luther
Briefwechsel mit Luther
Erasmus von Rotterdam war bekennender Pazifist und verurteilte alles Kriegerische.
Etwa ab 1519 führte Erasmus gern und ausgiebig einen konstruktiven Meinungsaustausch mit Luther. Per Brief, nicht persönlich. Das ergab sich nicht. Während sich aber Luther kompromisslos gegen die zunehmende Weltlichkeit, Prunksucht und Selbstherrlichkeit des Kirchenstaates und seiner Vertreter wandte und die klerikale Hierarchie verurteilte, vertrat Erasmus eine wesentlich moderatere Auffassung.
Worin genau lag der Widerspruch zwischen Erasmus von Rotterdam und Martin Luther?
Während Martin Luther (1483-1546) in seinen Reformbestrebungen soweit ging, nicht ausschließlich dem Klerus die Unterweisung des rechten Glaubens zuzubilligen, sondern sogar die Funktion des Papstes in Frage stellte, ging das dem oft eher hinhaltend agierenden Erasmus von Rotterdam (um 1466/69-1536) zu weit. Im Gegensatz zu Luther betrachtete er die Angelegenheit sehr viel moderater, und setzte sich für eine nur nach innen gewandte Erneuerung der Kirche ein.
Wohl auch ein Grund dafür, dass er sich auch jegliche Einmischung in den Disput Luthers mit Papst Leo X. (1475-1521) verbot.
Der päpstlich-lutherische Streit endete 1519 bekanntermaßen mit der Exkommunikation Luthers durch den Papst und 1521, wenige Wochen nach dem Reichstag zu Worms, mit der von Karl V. (1500-1559) über den obstinaten Reformer verhängten Reichsacht (Wormser Edikt).
Ein paar Jahre später, 1524, distanzierte Erasmus sich spürbar von dem in seinen Augen allzu radikalen Luther und setzte mit seinem Traktat
- „De libero arbitrio“ („Über die Willensfreiheit“ oder auch „Vom freien Willen“) von 1527/28
noch einen drauf.
Danach beruht Erasmus’ Argumentation, vereinfacht gesagt, auf der freien Willensbildung eines jeden Menschen, der sich – allerdings mit der Gnade Gottes – selbst für Gut oder Böse entscheiden könne.
Luther ließ sich nicht beirren und bekräftigte im Gegenzug ein Jahr später, 1525, mit seiner Schrift
- "De servo arbitrio" („Über den geknechteten Willen“)
noch einmal seinen Standpunkt.
Ihm ging es um die Vorherbestimmung, nach der – sinngemäß – alles Tun und Sein, insbesondere auch das Wie und Was nach dem Tod, Himmel oder Hölle, Heil oder Fegefeuer von Gott vorherbestimmt und abhängig von seiner Gnade sei.
Diese anscheinend für beide Kontrahenten unüberbrückbaren Meinungsunterschiede führten dann zum endgültigen Aus ihrer bis dahin durchaus nicht unfreundlichen (Brief-)Beziehung.
Die letzten Jahre
Wie verliefen Erasmus von Rotterdams letzte Jahre?
Relativ unspektakulär.
Bald darauf, also nach dem Streit mit Luther, verließ Erasmus Basel, ging nach Freiburg, bemühte sich zwischen Katholiken und Protestanten zu vermitteln, kehrte 1535 zurück nach Basel, wo er 1536 verstarb und im Basler Münster beigesetzt wurde.
Was bleibt
Noch heute gilt der Philosoph, Theologe, Philologe (Sprach- und Literaturwissenschaftler) und kritische Denker Erasmus von Rotterdam als einer der bedeutendsten Humanisten des 16. Jahrhunderts. Er hat zu einer Erneuerung des Christentums auf Basis seiner Studien der Antike beigetragen und zählt mit seinem Wirken, seinen zahlreichen Schriften und Briefen, unwidersprochen zu den frühen Ideengebern der Aufklärung.
Nachsatz
Was hatten Heinrich VIII. und Erasmus von Rotterdam miteinander zu tun?
Heinrich VIII. und Erasmus von Rotterdam trafen sich erstmals, als Heinrich neun Jahre alt war. Der englische Humanist Thomas Morus war mit dem artverwandten Erasmus gut befreundet und nahm ihn 1499 in die Residenz im Eltham Palace mit, wo Heinrich mit seinen jüngeren Geschwistern aufwuchs.
Erasmus gab später zu Papier, dass er beeindruckt gewesen sei von der vorzüglichen Ausbildung und den "königlichen" Manieren Heinrichs (Zitat: "Geistesgröße kombiniert mit erstaunlicher Höflichkeit"). Und das, obwohl der damals noch gar nicht als Thronnachfolger vorgesehen war, denn das wurde er erst mit dem Tod seines älteren Bruders Arthur.
Nach diesem ersten Zusammentreffen kam es in der Folge zu einem regelmäßigen Briefwechsel zwischen Heinrich und Erasmus (übrigens in Latein).
Quellen:
- "Der Mensch Martin Luther" (Lyndal Roper/S. Fischer Verlag)
- "Die Reformation" (Dietmar Pieper, Eva-Maria Schnurr – Hg./Deutsche Verlags-Anstalt, München/Spiegel-Buchverlag)
- "Religionen der Welt" (Philip Wilkinson/Dorling Kindersley Verlag GmbH)
- "Ketzer, Bauern, Jesuiten – Reformation und Gegenreformation" (rororo, Das farbige LIFE Bildsachbuch)