Was bedeutet der Begriff Patriarch?
- Aktualisiert: Mittwoch, 02. Februar 2022 15:37
Mit der Ausbreitung des christlichen Glaubens mussten eine Vielzahl von Verwaltungsämtern gebildet werden. Deren obersten Amtsinhabern wurde der Titel "Patriarch" gegeben. Als die ersten Patriarchen (griechisch: „Pater = Vater“ und „archein = herrschen, Erster sein“) des Alten Testaments gelten Abraham, Isaak und Jakob mit seinen Söhnen.
Die frühesten Patriarchate waren Konstantinopel, Antiochia, Jerusalem, Alexandria und Rom. Obwohl sich der Bischof von Rom nicht Patriarch, sondern Papst nannte, wurde er allgemein als Erster unter Gleichen akzeptiert. Erst als die Römisch-Katholische Kirche versuchte, ihren Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen, kam es im Jahr 1054 zur Spaltung der Kirche. Seitdem trägt das kirchliche Oberhaupt der Orthodoxen Kirche, oder auch der sogenannten Ostkirche, den Titel „Patriarch“.
Heute ist der Patriarch von Konstantinopel (zuvor: Byzanz/heute: Istanbul) der Vorsitzende aller orthodoxen Kirchen.
Institutionen
Welche Bedeutung hat der „Patriarch von Konstantinopel“?
Im Gegensatz zum Papst, der sich als direkter Nachfolger des Apostel Paulus sieht, beruft sich der Patriarch von Konstantinopel (heute: Istanbul) auf den Apostel Andreas, der noch heute von orthodoxen Christen als erster Bischof von Konstantinopel verehrt wird.
Als Erster unter Gleichen, gilt das Amt des Patriarchen von Konstantinopel als die anerkannte und bestimmende Institution der gesamten Orthodoxie, für die er in Kirchenfragen verantwortlich zeichnet.
Ökumenischer Patriarch
Heute ist der Patriarch von Konstantinopel nicht nur Oberhaupt aller orthodoxer Christen in der Welt, sondern nennt sich gleichzeitig auch "Ökumenischer Patriarch". In dieser Eigenschaft kümmert er sich im 1948 gegründeten "Ökumenischen Rat der Kirchen" (ÖRK) auch beharrlich um die Einheit aller christlichen Kirchen.
Sein zusätzliches Amt als "Ökumenischer Patriarch" verpflichtet ihn, sein Tun und Handeln stets in Übereinstimmung mit den Meinungen und Obliegenheiten aller anderen selbstständig wirkenden Orthodoxen Kirchen abzustimmen.
Als erster, dem der Titel "Ökumenischer Patriarch" (mutmaßlich 595 n. Chr.) zugesprochen wurde, gilt ein gewisser Johannes IV. (515-595), der seit 582 n. Chr. in der Hagia Sophia in Konstantinopel als 33. Patriarch sein Amt ausführte.
Was ist das „Lateinische Patriarchat“?
Ursprünglich gehörten die Lateinischen Patriarchen von Konstantinopel, Antiochia, Alexandria und Jerusalem zur römisch-katholischen Kirche – bis es im Jahr 1054, unter anderem wegen gegensätzlicher theologischer Auffassungen und Meinungsverschiedenheiten, zur Trennung der Kirchen kam (Morgenländisches Schisma).
Seitdem vertreten die genannten Patriarchate die orthodoxen Kirchen (Ostkirche), und das Patriarchat von Rom steht für die römisch-katholische Kirche, wobei das Oberhaupt dieses Lateinischen Patriarchats nicht Patriarch, sondern Papst genannt wird.
Warum und seit wann gibt es das „Patriarchat von Jerusalem“?
Seit Christi Zeiten ist die Heilige Stadt Jerusalem für das Christentum von außerordentlicher Bedeutung, gilt sie doch als Urgemeinde aller Christen. Ein gewichtiger Grund, der Stadt bereits im Jahr 325 auf dem Ökumenischen Konzil in Nikaia (in der heutigen Türkei) eine besondere Bedeutung zu geben. Aber erst im Jahr 451, auf dem Konzil von Chalkedon (einem heutigen Stadtteil von Istanbul), wurde Jerusalem zu einem eigenständigen Patriarchat.
Sonderstellung
Ein wesentlicher Grund für eine gewisse Sonderstellung des Patriarchats von Jerusalem war die Tatsache, dass die Christen der Stadt überwiegend die Beschlüsse des Konzils von Chalkedon (heute ein Stadtteil Istanbuls) mitgetragen haben, während die Patriarchate von Alexandrien und Antiochien das nicht taten.
Und dann war da noch Kaiser Konstantin der Große (285 – 337 n. Chr.). Der stand während seiner Regentschaft bekanntermaßen der Ausübung christlichen Glaubens ausgesprochen positiv gegenüber.
In der Absicht, die Verbundenheit beider Kirchen (Ost- und Westkirche) zu unterstützen, setzte er sich daher verstärkt dafür ein, das Ansehen und die religiöse Bedeutung Jerusalems für alle Christen zu erhalten.
Bedeutungsverlust
Die so genannte byzantinische Zeit in Jerusalem/Palästina endete im 7. Jh. durch die Eroberung der Perser (um 614 n. Chr.) und der Araber (um 638 n. Chr.). Beide Besatzer hinterließen eine immense Zerstörung sakraler und weltlicher Bauten. Nicht unerheblich viele Christen konvertierten zum Islam.
Und obwohl während dieser Zeit eine Vielzahl Christen koptischer, armenischer und anderer Glaubensgemeinschaften im Heiligen Land Fuß fassten, war die Ausübung christlichen Glaubens im Heiligen Land bis Anfang des 11. Jh. nur eingeschränkt möglich.
Mit der blutigen Eroberung Jerusalems durch die Kreuzritter im Jahr 1099 und der damit verbundenen Errichtung des Königreichs Jerusalem, zog sich das "Griechisch-Orthodoxe Patriarchat" aus der Stadt zurück und floh ins Exil nach Konstantinopel (= Istanbul).
Nach der Flucht des "Griechisch-Orthodoxen Patriarchats" vor den Kreuzrittern (1099) ins Exil nach Konstantinopel, wurde in Jerusalem stattdessen die Institution eines "Lateinischen (römisch-katholischen) Patriarchats" geschaffen.
Nach seiner Flucht verlor der orthodoxe Patriarch von Jerusalem über Jahrhunderte seine Eigenständigkeit. Die von ihm bis dahin wahrgenommenen Aufgaben in der Betreuung orthodoxer Christen im Heiligen Land, wurden nun vom Patriarchen von Konstantinopel übernommen.
Erneuerung
Während das Patriarchat von Jerusalem im Zuge der wechselvollen Geschichte der Stadt und des Heiligen Landes durch mehrfache Eroberungen (Kreuzritter, Seldschuken, Mamelucken und Osmanen) mehr und mehr an Geltung und Gewicht verloren hatte, kam es Mitte des 19. Jh. zu einer Erneuerung sowohl des "Lateinischen", als auch des "Orthodoxen Patriarchats".
Unterstützung
Im Jahr 1847, Jerusalem stand immer noch unter osmanischer Herrschaft, wurde das Lateinische Patriarchat mit tatkräftiger Hilfe und Unterstützung Russlands, Preußens, Frankreichs und Englands wiedererrichtet.
Und parallel dazu, griff Zar Nicolaus I. (1796-1855) dem griechisch-orthodoxen Patriarchat kräftig unter die Arme, was wiederum dem Interesse der russisch-orthodoxen Kirche geschuldet war.
Was bedeutet „Patriarchat von Jerusalem“ heute?
Heute sind in Jerusalem Patriarchen mehrerer christlicher Kirchen vertreten.
Da gibt es zum Beispiel
- das orthodoxe,
- das lateinische,
- das melkitisch-griechisch-katholische sowie
- das armenische Patriarchat, das aber lediglich als Erzbistum von Jerusalem die armenisch-apostolische Kirche vertritt.
Und, um die Verwirrung komplett zu machen, sind da noch
- der syrisch-orthodoxe Metropolit von Jerusalem (dem Patriarchat Antiochien zugehörig),
- der koptisch-orthodoxe Bischof von Jerusalem und der
- evangelisch-lutherische Bischof von Jerusalem.
Quellen:
- "Die fünf Weltreligionen" (Helmuth von Glasenapp/Diederichs Verlag, Düsseldorf/Köln)